Ost trifft West – German YWCA-Frühstück am 11. Juni 2016 in Stuttgart

Mehr als 25 Frauen trafen sich am 11. Juni zum alljährlichen Frauenfrühstück in der Moserstrasse. Unsere Zuhörerschaft hat sich verjüngt: unter den Gästen waren auch zwei junge Mütter mit Kindern und zwei Au-Pair-Mädchen aus der Ukraine und der UdSSR. Thema war das schwierige Einleben in Deutschland für Frauen, die aus dem Ausland zu uns ziehen. In einem Anspiel wurden die Sitten und Gebräuche der Bewohner der fiktiven Insel Albatros dargestellt. Deutlich wurden den Zuschauerinnen, wie sehr uns der Blick durch unsere „kulturelle Brille“ zu Vorurteilen und Falschinterpretationen verleitet.

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Unsere Podiumsgäste waren: (v.li.) Rawaa Al Shanaa aus dem Irak, Aphiniya Grimm aus Thailand und Yasmin Perez aus Venezuela; Aphiniya und Yasmin sind Beraterinnen beim Fraueninformations-Zentrum FIZ. Rawaa ist Mikrobiologin aus Bagdad und Christin. Sie kam nach ihrer Flucht vor drei Jahren nach Deutschland. Ihren Aufenthalt in den Erstunterkünften schilderte sie als zweite Hölle. Sie wohnt in der Nähe von Stuttgart und sucht bisher vergeblich nach einem Platz in einem Labor, wo sie die deutsche Labortechnik kennenlernen kann. Sie möchte baldmöglichst wieder arbeiten. Ihr kleiner Wohnort kommt ihr sehr ruhig vor, ihr fehlen die kleinen Läden an der Ecke. Auch unsere steilen Hausdächer bieten an heißen Tagen keine Schlafmöglichkeit für die Familie wie in Bagdad. Dort wird Gastfreundschaft groß geschrieben, es wird bei einem Besuch immer frisch gekocht, was oft Stunden dauern kann. Rawaa berichtete, daß im Irak die verheiratete Frau so lange ihren Familiennamen behält, bis ihr erster Sohn geboren wird. Dann heißt sie „Mutter von …“.
Aphiniya Grimm hat in Thailand ihren Mann kennengelernt und kam mit ihm 1993 nach Deutschland. In Frankfurt fehlten ihr die Bäume und sie schloss daraus, daß die hiesige Industrie nicht im Einklang mit der Natur lebt. Sie fragte sich, wie sie da leben könne und wo die Leute auf den leeren und stillen Straßen seien. Sie wies darauf hin, daß die Frau in Thailand die Familienkasse verwaltet.
Yasmin Perez aus Venezuela ist Juristin und kam mit ihrem deutschen Mann 2010 nach Deutschland. Ihr fiel auf, daß die Leute in Bus und Bahn sich nicht anschauen und nicht miteinander reden. Auch zeigen in ihrer Heimat die Jüngeren den Älteren gegenüber mehr Respekt. Allerdings fragt man dort schnell nach den privaten Verhältnissen des Gegenüber und kennt keine private Abgrenzung. Hier wundert sie sich darüber, daß man sich am Telefon sofort mit dem vollen Namen meldet.
Alle drei Podiumsteilnehmerinnen lobten die deutsche Pünktlichkeit. Sie seien auch im ganzen sehr freundlich auf- und angenommen worden. Es war eine bereichernde Veranstaltung, die manche Teilnehmerin nachdenklich hinterließ. Erstaunlich war für eine Griechin, daß sie bei ihrer Ankunft in Deutschland vor vielen Jahren mit den gleichen Problemen konfrontiert wurde, wie von den Podiumsteilnehmerinnen geschildert. Allgemeine Erkenntnis war, daß Integration nur gelingen kann, wenn wir uns bemühen, unterschiedliche Denk- und Lebensweisen fremder Menschen zu verstehen. U.L.